Anlässlich des 800jährigen Jubiläums entstehen auf Initiative der drei Provinziäle des 1. Ordens 12 Kurztexte, die später auch einmal als Büchlein erscheinen sollen. Bis dahin können sie in allen franziskanischen Medien benutzt werden. Wir haben die Erlaubnis bekommen – vielen Dank dafür! – diese Texte auch bei uns zu veröffentlichen.
Für den Erfolg eines Projekts ist es enorm wichtig, neben einer guten Strategie auch mit dem „richtigen“ Team zu arbeiten. Genauer gesagt geht es darum, Menschen zusammenzubringen, die für die anstehende Aufgabe geeignet, also mit den notwendigen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattet sind. Auf die Franziskaner gemünzt gilt das prinzipiell auch, wie die Anfänge des Ordens in Deutschland anschaulich belegen. Als 1219 über 60 Brüder erstmals nach Deutschland gingen, aber an der Sprachbarriere scheiterten, zeigte sich, dass der Wille allein, der die Brüder gewiss auszeichnete, nicht ausreichte, ein tragfähiges Fundament des Ordens in Deutschland zu schaffen. Der zweite – und diesmal erfolgreiche – Weg nach Deutschland führte über einen klugen Plan sowie eine darauf abgestimmte Zusammenstellung der Teilnehmer an der Mission. Doch wer waren die Brüder und was zeichnete diese aus, die seit 1221 die Deutschen für ihre franziskanische Lebensweise zu gewinnen wussten?
Auf den ersten Blick fällt auf, dass es eine sehr heterogene Gruppe oder anders ausgedrückt, ein bunter Haufen war. Es herrschte zwar Einigkeit unter den Brüdern, die gelobte Armut persönlich und in der Gemeinschaft zu leben. Allerdings unterschieden sie sich deutlich in ihrer räumlichen und sozialen Herkunft, durch ihre Berufe und in ihren Charakteren. Unser detailreiches Wissen über die Brüder verdanken wir der Chronik des Jordan von Giano, der selbst Teil der Gruppe war, über die er berichtet. Jordan, „ein Mann von dunklem Aussehen, von kleiner Gestalt, von Herzen fröhlich, wohlwollend und bereit zu jedem guten Werk, ein Mann von großem Gehorsam“, wie ihn eine spätere franziskanische Chronik beschreibt, stammte aus Umbrien. Aus dieser Gegend, dem heutigen Magione bei Perugia, kam auch Johannes von Piano di Carpini, nach Jordan ein „korpulenter Mann“, der wegen seiner Körperfülle gerne auf einem Esel ritt. Johannes konnte „lateinisch und lombardisch predigen“, womit Jordan zu verstehen gab, dass sein Weggefährte sowohl vor gebildetem Publikum, vorzugsweise höheren Klerikern und Gelehrten, als auch dem Volk in Italien predigen konnte. In Deutschland übernahm Johannes Leitungsaufgaben: unter anderem führte er als Kustos seinen Orden nach Sachsen, wurde 1228 zum Provinzial der ersten deutschen Provinz bestimmt, um kurz nach 1230 die neu gegründete Provinz Sachsen zu leiten. Über die Grenzen Deutschlands hinaus wurde Johannes bekannt, als er von 1245 bis 1247 eine päpstliche Legationsreise zum Groß-Khan der Mongolen nach Karakorum in Zentralasien unternahm und darüber einen viel beachteten Bericht verfasste. Nicht weniger bekannt ist Thomas von Celano, der gleichfalls zu der illustren Schar der nach Deutschland ziehenden Gruppe von Landsleuten des Franziskus von Assisi gehörte. Bevor er wahrscheinlich ab 1228 im Auftrag des Papstes und des Ordens begann, verschiedene Lebensbeschreibungen des Franziskus zu verfassen, versah er in Deutschland als Kustos und Provinzvikar ebenfalls Führungsaufgaben. In der Reihe der italienischen Brüder, die 1221 nach Deutschland zogen, sind Jordan, Johannes und Thomas, lediglich die prominentesten Franziskaner, aber keineswegs die einzigen. Mit dem Diakon Palmerius, „ein fröhlicher und heiterer Mann aus dem Gebiet Apuliens am Berg Gargano“, der als Guardian in Magdeburg wirken sollte, Josef von Treviso, dem toskanischen Grafensohn Simon von Collazone sowie dem Priester Petrus von Camerino sind mindestens vier weitere Italiener zu identifizieren. Damit stellten sie nach den Deutschen, die stärkste Nation innerhalb der international aufgestellten Expedition, der mit Bruder Abraham auch ein Ungar angehörte. Letzterer zählte 1222 zu den drei ersten in Deutschland zu Priestern geweihten Franziskanern. Der internationale Charakter der ersten Brüdergeneration verstärkte sich schon bald durch englische Brüder. Die ersten beiden, Bruder Johannes und Bruder Wilhelm gingen unter Führung von Johannes von Piano di Carpini 1223 nach Sachsen. Nur wenige Jahre später stand mit Bruder Simon Anglicus kurzzeitig ein Engländer als Provinzial an der Spitze der Provinz, der zuvor als Lektor 1228 das erste Studienhaus in Magdeburg gegründet hatte. Als sein Nachfolger lehrte dort seit 1231 sein Landsmann Bartholomäus Anglicus, der vom Ordensstudium in Paris an die Elbe wechselte. Unter dessen Ägide gewann das Magdeburger Studium über die Provinzgrenzen hinaus rasch an Ansehen. Mit Bartholomäus kam ein weiterer englischer Bruder aus Frankreich nach Sachsen: Bruder Johannes von England, der zum Provinzial von Sachsen bestimmt worden war.
In den ersten zwei Jahrzehnten waren die Franziskaner in Deutschland eine international, besser gesagt, transnational zusammengesetzte Gemeinschaft, denn es handelte sich nicht um eine Einbahnstraße nach Deutschland. Der Weg in den Orden und im Orden führte Deutsche immer wieder nach Italien. So gehörten zu den ersten Brüdern, die 1221 über die Alpen zogen, auch die Deutschen Barnabas, ein ausgezeichneter „Prediger in lombardischer und deutscher Sprache“ wie der Chronist hervorhob, der „Kleriker Konrad“ sowie die Laienbrüder Benedikt von Soest und Heinrich von Schwaben. Von ihnen ist nicht bekannt, wann und wo sie sich der Gemeinschaft des Franziskus angeschlossen hatten, doch liegt die Vermutung nahe, das es in Italien passiert war. Anders verlief der Weg des Cesarius von Speyer, der als Provinzial seine Ordensbrüder nach Deutschland führte. Der in Paris ausgebildete Theologe und Prediger hatte die Franziskaner in Palästina kennengelernt, wo er am Kreuzzug gegen die Muslime teilnahm. Zusammen mit Elias von Cortona und Franziskus, die sich zu dieser Zeit auch im Heiligen Land aufhielten, kehrte er 1220 nach Europa zurück. Für Cesarius wie für die anderen ersten deutschen Brüder hieß es, über lange Distanzen einen Weg zu Franziskus und in seinen Orden zu finden.
Bernd Schmies
Fachstelle Franziskanische Forschung