„Brüder und Schwestern von der Buße“
Im Leben des Franziskus und in den Anfängen seines Ordens hatte das Wort Buße einen gewichtigen, zentralen Platz. Worum Franziskus sich unter dem Antrieb und der Führung des Geistes Gottes ein ganzes Leben lang bemühte und was er als Ideal für seine Brüder und Schwestern wollte, ist dieses: Leben in Buße. Diese ursprüngliche Bezeichnung des neuen franziskanischen Lebens hat der „Dritte Orden“ in seinem Namen „Brüder und Schwestern von der Buße“ oder einfach „Büßer“ beibehalten. Das Wort Buße hat im heutigen Sprachgebrauch einen verengten Sinn. Häufig verstehen wir unter Buße vor allem die Übung von Werken äußerer Abtötung, also Leistungen des Menschen. Man denkt vordringlich an Fasten, an Werke der Abtötungen und andere Strengheiten, durch welche wir erreichen wollen, dass der Leib dem Geist gehorche. Franziskus hat sicher Werke der Abtötung vollbracht und zwar in einem sehr harten Maß. Doch unter dem Leben der Buße verstand er etwas Umfassenderes und Größeres. Für ihn ist sie im Sinne des Evangeliums eine Umstellung, eine Hinwendung des Menschen zu Gott. Diese Umkehr umfasst den ganzen Menschen. Der Ausgangspunkt eines Lebens in Buße ist jedoch nicht der Mensch, sondern Gott. (OFS Bildungskurs, Einführung zum Thema “Buße”)
So hat der Herr mir, dem Bruder Franziskus, gegeben, das Leben der Buße zu beginnen: denn als ich in Sünden war, kam es mir sehr bitter vor, Aussätzige zu sehen. Und der Herr selbst hat mich unter sie geführt, und ich habe ihnen Barmherzigkeit erwiesen. Und da ich fortging von ihnen, wurde mir das, was mir bitter vorkam, in Süßigkeit der Seele und des Leibes verwandelt. (Testament 1-3)
Und als er infolge seiner Krankheit die frühere Strenge notwendigerweise mäßigen musste, sagte er: „Brüder, lasst uns anfangen, Gott dem Herrn zu dienen! Denn bis jetzt haben wir kaum oder auch keinen Fortschritt gemacht“. Er glaubte nicht, es schon ergriffen zu haben; und unermüdlich ausharrend im Vorsatz heiliger Erneuerung, lebte er in der Hoffnung, immer wieder einen neuen Anfang setzen zu können. (1C 103)
Die „Brüder und Schwestern von der Buße“ machen auf Grund ihrer Berufung und angetrieben durch die lebendige Kraft des Evangeliums ihr Denken und Handeln dem Beispiel Christi gleichförmig. Das erreichen sie durch bedingungslose und vollkommene innere Umkehr, im Evangelium „metánoia“ genannt. Diese muss auf Grund der menschlichen Gebrechlichkeit täglich neu vollzogen werden. … Auf diesem Weg der Erneuerung ist das Sakrament der Wiederversöhnung das hervorragende Zeichen der Barmherzigkeit des Vaters und eine Quelle der Gnade. (OFS Regel 7)
Die Mitglieder des OFS, die früher „Brüder und Schwestern von der Buße“ genannt wurden, bemühen sich, im Geiste ständiger Umkehr zu leben. … In diesem Geist der Umkehr lassen sie die Liebe zur Erneuerung der Kirche lebendig werden, die begleitet werden soll von der persönlichen und gemeinschaftlichen Erneuerung. Die Frucht der Umkehr, die eine Antwort auf die Liebe des Vaters ist, zeigt sich als tätige Liebe zu den Schwestern und Brüdern. Die überlieferten Formen der franziskanischen Büßerbewegung, wie z.B. Fasten und Abstinenz, sollen bekannt sein und gemäß den Weisungen der Kirche geschätzt und befolgt werden. (OFS Konstitutionen 13)
Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.
Kehrt um, und glaubt an das Evangelium! (Mk 1,15)
Die wahre Kenntnis Gottes in seinem Erbarmen und seiner wohlwollenden Liebe ist eine ununterbrochene und nie versiegende Quelle der Bekehrung, die nicht als nur vorübergehender innerer Akt zu verstehen ist, sondern als ständige Haltung, als Zustand der Seele. Denn wer Gott auf diese Weise kennenlernt, ihn so „sieht“, kann nicht anders, als in fortwährender Bekehrung zu ihm zu leben. Er lebt also in statu conversionis, im Zustand der Bekehrung; gerade diese Haltung stellt das tiefste Element der Pilgerfahrt jedes Menschen auf dieser Erde in statu viatoris, im Zustand des Unterwegs-seins dar. Selbstverständlich bekennt die Kirche das Erbarmen Gottes, das im gekreuzigten und auferstandenen Christus geoffenbart wurde, nicht nur mit den Worten ihrer Lehre, sondern vor allem mit dem lebendigen Pulsschlag des ganzen Volkes Gottes. Durch dieses Lebenszeugnis erfüllt die Kirche die dem Volk Gottes eigene Mission, die an der messianischen Sendung Christi teilhat und diese in gewissem Sinne fortsetzt (Dives in misericordia 13, Hl. Johannes Paul II. 1980)
Der Ausdruck und der Begriff der Buße selbst sind sehr vielschichtig. Sehen wir sie mit der Metánoia verbunden, wie die Synoptiker sie darstellen, so bezeichnet Buße die innere Umkehr des Herzens unter dem Einfluß des Wortes Gottes und mit dem Blick auf das Reich Gottes. Buße bedeutet aber auch, das Leben zu ändern in Übereinstimmung mit der Umkehr des Herzens; in diesem Sinne wird das „Buße tun“ dadurch ergänzt, dass „würdige Früchte der Buße“ hervorgebracht werden: Die ganze Existenz wird in die Buße einbezogen, das heißt, sie ist bereit, beständig zum Besseren voranzuschreiten. Buße tun ist allerdings nur dann echt und wirksam, wenn es sich in Akten und Taten der Buße konkretisiert. In diesem Sinne bedeutet Buße im theologischen und geistlichen christlichen Sprachgebrauch Aszese, das heißt die konkrete und tägliche Anstrengung des Menschen, mit Hilfe der Gnade Gottes sein Leben um Christi willen zu verlieren, als einzige Weise, es wirklich zu gewinnen; den alten Menschen abzulegen und den neuen Menschen anzuziehen; alles in sich zu überwinden, was „fleischlich“ ist, damit das „Geistliche“ sich durchsetze; beständig von den irdischen Dingen hinaufzustreben zu den himmlischen, wo Christus ist. Buße ist also eine Umkehr, die vom Herzen hin zu den Taten geht und daher das gesamte Leben des Christen erfasst.
(Reconciliato et Paenitentia 4, Hl. Johannes Paul II. 1984)
Der hl. Paulus spricht diesbezüglich vom „Glauben […], der in der Liebe wirksam ist“ (Gal 5,6). Deshalb wird echte Umkehr durch die als Gebet praktizierte Lektüre der Heiligen Schrift und den Empfang der Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie vorbereitet und in die Tat umgesetzt. Die Umkehr führt zur brüderlichen Gemeinschaft, da sie zu verstehen hilft, dass Christus das Haupt der Kirche ist, die ihrerseits den mystischen Leib darstellt. Die Umkehr drängt zur Solidarität, da sie uns ins Bewusstsein ruft, dass wir das, was wir den anderen, insbesondere den Bedürftigen tun, Christus tun. … Um ein wahrer Jünger des Herrn zu sein, muss ein Gläubiger Zeuge seines eigenen Glaubens sein, denn „der Zeuge legt nicht nur durch seine Worte, sondern durch sein Leben Zeugnis ab.“ Wir müssen uns daher Jesu Worte vergegenwärtigen: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt“ (Mt 7,21). „Niemand kann zwei Herren dienen“ (Mt 6,24), daher besteht das Umdenken („metánoia“) in dem Bemühen, die Werte des Evangeliums zu übernehmen, die zu den dominierenden Strömungen der Welt im Gegensatz stehen. (Ecclesia in America 26, 28, Hl. Johannes Paul II. 1999)